Seit Juli 1992 gibt es das Angebot von Herman Klaassen,
dem Eigner und Skipper der "Avanti", als Sporttaucher mit einer Taucherglocke
(Wet-Bell) zu tauchen. Wir fanden uns an einem Freitagabend im Yachthafen
Kloosternol 3 von Schaarendijke, auf Zeeland, ein, um mit der "Avanti"
eine Wochenendtour zu unternehmen.
Die "Avanti", ein ursprünglich segelgetriebenes
Plattbodenschiff, wurde 1927 zum Tanker umgebaut. 1988 kaufte Herman Klaassen
den heruntergekommenen Rest der alten Dame und konstruierte daraus erst
ein Wohnschiff mit Werkstatt, später wurde das Ganze dann eine schwimmende
Tauchbasis mit kleinem "Hotel". Das Schiff ist 28 Meter lang und 5,60 Meter
breit. Wenn man die "Avanti" zum ersten Mal sieht, fällt einem sofort
die an Deck stehende große gelbe Wet-Bell und der dazugehörige
10 Tonnen Kran auf.
Das Schiff bietet 12 Tauchern und 4 Besatzungsmitgliedern
Platz zum leben und zum schlafen. Auf Tagesfahrten kann die "Avanti" bis
zu 40 Taucher befördern. Ein Diesel mit 135 PS bewegt die "Avanti".
Der nötige Strom wird von einem 15 PS Generator erzeugt. Ein Dhingi
mit Außenborder wird ständig mitgeführt.
Außer den Schlafkabinen gibt es eine gemütliche
Bar an Bord, in der auch die Mahlzeiten eingenommen werden. Für die
immer größer werdende Zahl der Unterwasservideofilmer steht
ein Fernseher mit Videorecorder bereit, der Begutachtung des gedrehten
Materials direkt nach dem Tauchgang steht damit nichts mehr im Wege. Vor
der Bar liegt der Tauchgeräteraum in dem auch die Flaschen gefüllt
werden. Damit das Füllen nicht zu lange dauert, wird die Luft aus
6 Pufferflaschen übergeströmt.
Als Berufstaucher hatte Herman die Vorzüge einer
Wetbell kennengelernt und auch den Nutzen für die Sporttaucherei gesehen.
Aus einem ehemaligen öltank wurde die Wet-Bell zusammengeschweißt.
Die Glocke wiegt jetzt 3 Tonnen und wird mit dem Bordkran abgesetzt. Sporttaucher
haben mit der Glocke neben einem Einblick in die Welt der Berufstaucherei
auch als sicheres Mittel für Ausbildung im Tarieren und Tieftauchen.
Zwischen übungen hat der Schüler in der Glocke immer wieder Sprechkontakt
mit dem Lehrer und kann so effektiver lernen.
In der Wetbell ist Platz für 4 stehende Taucher.
Es gibt in der Glocke Licht und ständige Sprechverbindung zur Bedienungsmannschaft
an Deck. In jeder Tiefe besteht die Möglichkeit den Auf- oder Abstieg
zu unterbrechen und die Glocke zu verlassen. Als Nebeneffekt begreift manch
einer, der sich mit der ansonsten häufig ach so trockenen Tauchphysik
schwer tut, hier beim Tauchen mit der Bell die Bedeutung der Gesetze von
Boyle Mariott und Henry am eigenen Leibe.
Ein Tauchgang
mit der Glocke |
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Nacheinander springen wir drei vom Schiff ins Wasser
und tauchen gleich in die neben dem Schiff hängende Glocke. Dort aufrecht
stehend k"nnen wir den Lungenautomaten herausnehmen. über die Sprechanlage
melden wir uns an Bord und bitten, uns abzusenken. Hier in der Glocke wird
einem die Druckzunahme mehr bewußt als wenn man frei abtaucht. Häufiger
Druckausgleich ist notwendig. Wichtig für Computertaucher: Den Rechner
möglichst immer im Wasser lassen - die Elektronik k"nnte bei einer
trockenen Tauchfahrt Schaden nehmen!
Bis in eine Tiefe von 40 Meter kann die Glocke von
der "Avanti" aus eingesetzt werden. Die Glocke wird nie auf den Meeresboden
abgesenkt, sondern schwebt immer mindestens ca. 2-3 Meter über dem
Grund - um ein Umkippen der Glocke zu verhindern. Von Bord der "Avanti"
wird die Glocke zusätzlich mit einer weiteren Sicherheitsleine gegen
"verdrillen" gesichert.
Die "Avanti ankert an einer Stelle mit einer Wassertiefe
von rund 50 Metern. Wir haben mit Herman eine maximale Tiefe von 35 Metern
abgemacht, damit wir auch ein wenig Zeit zum Tauchen haben. Trotz der zweifelsohne
sehr guten Deko-Möglichkeit, den die Glocke bietet wollen wir keinen
deko-pflichtigen Tauchgang unternehmen. Safety first gilt für uns
auch hier!
Herman senkt uns mit der Glocke langsam ab und merklich
steigt das Wasser in der nach unten offenen Glocke.
"Stop!" rufen wir in ca. fünf Meter Wassertiefe
- Herman bestätigt "Stop". Die Bell unterbricht ihren Abstieg. Wie
war das noch bei Boyle Mariotte? P x V = Konstant! Genau, unser Luftraum
hat sich merklich reduziert (genau um 25 %). Wir öffnen den Lufthahn
und die mit lautem Geräusch einströmende Luft drückt das
Wasser nach unten aus der Glocke heraus. "Weiter" rufen wir nach oben und
schon geht unser Abstieg weiter in die Tiefe.
Bei ca 12 Meter Wassertiefe entwässern wir erneut.
In 20 Meter Tiefe verlassen wir die Glocke kurz zu einem kleinen Abstecher
in das momentan recht klare Wasser. Die Luft in der Bell hat sich durch
den Druck erwärmt (Gay-Lussacsches Gesetz!).
Nach einem kurzen Aufenthalt außerhalb unserer
Glocke finden wir uns wieder im "Lift" ein und es geht weiter abwärts.
Ab 30 Meter beginnt es in der Bell zu stinken. Das mit Schwefelwasserstoff
der Fäulnisbakterien des Grundes angereichterte Tiefenwasser verbreitet
das Aroma von Stinkbomben in der Glocke. Wir atmen daher lieber aus den
Lungenautomaten. 35 Meter Wassertiefe - unser Endpunkt ist erreicht. Unter
der Bell sind noch über 10 Meter Wasser bis der faulige Boden des
Grevelingen Meer erreicht wird. Wir haben die Glocke bis jetzt insgesamt
fünf mal "entwässert".
Uns umgibt extrem klares Wasser nächtlicher
Schwärze. Wir verlassen das schützende Heim und brechen zu einer
kleinen Umrundung auf. Die gelbe beleuchtete Glocke hat von außen
gesehen etwas von einer Telefonzelle, wenn da nicht das Firmenschild von
Hermann Klaassen wäre: Eine Kirby Morgan 18b Tieftauch-Vollgesichtsmaske!
In der Glocke befindet sich eine Sicherheitsleine,
dessen eines Ende wir in der Glocke befestigen um uns dann etwas weiter
von der Glocke zu entfernen. Wir entfernen uns dann ca 40 bis 50 Meter
von der Glocke und tauchen im nächtlichen schwarz. Mit Hilfe unserer
Sicherheitsleine, unseres "Ariadne-Fadens" finden wir wieder sicher zur
Glocke zurück, die etwas gespenstisch im tiefschwarzen Wasser hängt.
Wir hatten mit Hermann 15 Minuten Aufenthalt in der
Tiefe vereinbart. Nun umkreisen wir die Glocke noch einmal und begeben
uns dann zurück ins "traute Heim".
Für einen kurzen Moment atmen wir aus der Glocke
und besprechen uns kurz und bitten Hermann dann, mit dem Aufstieg zu beginnen.
Auf der Rückfahrt atmen wir aus Sicherheitsgründen - und wegen
des Fäulnesgeruches - nur aus unseren Geräten.
Der nachlassende Umgebungsdruck verwandelt den Glockeninneraum
in ein türkisches Bad! Wir können die Hand nicht vor Augen sehen.
Henrys Gesetz funktioniert!
In der Bell befinden sich etwa zwei Kubikmeter Luft,
die beim Auftauchen geräuschvoll expandiert. In 5 Meter Tiefe machen
wir einen Sicherheits-Dekostop von 5 Minuten. Insbesondere beim Deko-Stop
ist es wichtig nur aus dem Lungenautomaten zu atmen, da die Luft in der
Glocke jetzt einen wesentlich höheren Stickstoffanteil als normale
Atemluft hat.
Am nächsten Tag unternehmen wir noch einen Tauchgang
mit der Wet-Bell auf 25 Meter. Herman Klaassen bietet neben der Glockentaucherei
auch Tauchgänge mit einer Tieftauch-Vollgesichtsmaske vom Typ Kirby
Morgan 18b an. Die Maske wird oberflächenversorgt und hat eine Kommunikationseinrichtung.
Einige Tauchschulen haben die Vorteile eines Tauchganges
mit der Glocke für die Tauchausbildung erkannt und bieten ihren Schülern
als Abschluß der Ausbildung ein Wochenende auf der "Avanti".
Infos zur Tour: |
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Hermann Klaassen
Kralingenpad 3
NL - 6843 NN Arnheim
Telefon: 0031-85 820820
Telefax: 0031-85 251313
Telefon auf dem Schiff: 0031-6-529-45093
Preise:
Für ein komplettes Wochenende nimmt Hermann
245 hfl (ca. 220 DM) pro Person einschl. übernachtung (Schlafsack
mitbringen) und guter Vollverpflegung. Dazu kommen noch Kosten für
die Füllung der eigenen Tauchflaschen. Weitere Preise bitte dem anliegenden
Prospekt entnehmen.
Anreise:
Aus Norden: BAB Bremen oder Hannover Richtung Osnabrück,
über Rheine, Hengelo, Appeldorn, Utrecht, den Autobahnring Rotterdam
auf die A 29 Richtung Dordrecht - bis zur Abfahrt Richtung Zierikzee.
Aus dem Rheinland: BAB Venlo, Eindhoven, Tilburg,
Breda, Richtung Rotterdam, Abfahrt Moerdijk, Fijnaart auf die A 29 Richtung
Dordrecht - bis zur Abfahrt Richtung Zierikzee.
Tauchgenehmigung:
Die Tauchgenehmigung ist seit 2003 in Zeeland nicht mehr erforderlich!
© 1993 Joachim Noack, Jan Waßmann
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